Technischer Weitblick zwischen Hunger und Not
Alte Heilsberger Mühle am Wildbach mit Gründungszentrale (1910).
Vom technischen Weitblick des Firmengründers zeugte auch, dass er von Anfang an auf die zu dieser Zeit revolutionäre Drehstromversorgung setzte. Denn anders, als bei der damals üblichen Gleichstromversorgung, konnten mit der neuen Technik wesentlich höhere Leistungen übertragen werden.
Dies gilt auch für die Entscheidung zur 10 kV-Übertragungsspannung. Als die Nachfrage nach Strom spürbar anstieg, konnten dadurch Umstellkosten (- wie sie bei anderen Unternehmen anfielen -) vermieden werden.
Wasserkraftanlage Heilsberg, erbaut in den Jahren 1916-1918.
Bis 1918 schließlich waren alle Ortschaften zwischen Kiefenholz und Steinach, trotz großer Hindernisse, die sich insbesondere bei der Grundstücksbeschaffung für den Leitungsbau ergaben, an das Netz angeschlossen. Bis zum Jahr 1917 waren 35 Kilometer Mittelspannungsfreileitung gebaut worden. Diese und andere Zahlen halten zwar einem Größenvergleich mit damaligen Stadtwerken oder Überlandwerken kaum Stand. Bemerkenswert war aber, dass diese Leistung ohne staatliche Unterstützung ausschließlich von privater Hand erbracht wurde.
In den frühen Nachkriegsjahren betrieb Rupert Heider den weiteren Netzausbau seines Unternehmens mit großem Elan und angesichts einer noch immer sehr dünnen Eigenkapitaldecke mit nicht minder großer Risikobereitschaft.
Kraftwerksbau in den 20er-Jahren.
So schloss er einen Stromliefervertrag mit den Stadtwerken Straubing und den damaligen Oberpfalzwerken (Owag), da die Eigenerzeugung nicht mehr ausreichte. In Demling wurde das erste Schalthaus zur Stromübergabe errichtet. Wie auch im restlichen Ostbayern war mit Ende des Ersten Weltkrieges die Zahl der Neuanschlüsse rapide angestiegen. 1921 wurden zwei weitere Dieselaggregate mit 700 PS aufgestellt, die bei Bedarf eine sichere Versorgung gewährleisteten. Hierbei darf nicht übersehen werden, dass das EWW ausschließlich ländliche Bereiche versorgte und somit die höheren Kosten, die sich durch längere Versorgungsleitungen ergaben, übernehmen musste. Vor allem im Gebiet des Bayerischen Waldes mit seiner geringen Siedlungsdichte musste eine äußerst ungünstige Versorgungsstruktur in Kauf genommen werden. Ebenfalls Anfang der 20er-Jahre begann man damit, die Leitungen an zwei Stellen - nämlich in Pfatter und Reibersdorf - über die Donau zu legen und Gemeinden wie Geisling, Pfatter, Gmünd, Aholfing, Motzing, Atting und Rinkam anzuschließen. Auf der nördlichen Seite der Donau wurden die Leitungen weiter Richtung Straubing bis über Aiterhofen hinaus gebaut. 1923 hatte das Versorgungsgebiet im Wesentlichen seine heutige Größe.
Schalttafel in der Wasserkraftanlage Heilsberg um 1923.
Erste Dieselanlage im Maschinenhaus Wörth in den 20er-Jahren.
Doch die hohen Reparationszahlungen, die Deutschland an die Siegermächte leisten musste, forderten nun ihren Tribut: Das Land wurde von einer gewaltigen Inflation heimgesucht. Das Geld war nichts mehr wert. Die Kunden beglichen deshalb ihre Stromrechnung mit Naturalien, und auch Rupert Heider zahlte in dieser schweren Zeit die anstehenden Löhne überwiegend in Form von Lebensmitteln. Wie würde man wohl heute, im Zeitalter des Computers und fortschreitender Technik, der elektronischen Datenträger und des Abbuchungssystems auf einen Kunden reagieren, der die Stromrechnung mit ein paar Äpfeln bezahlen wollte? Oder man stelle sich vor, ein Unternehmer würde seine Mitarbeiter nicht mit Geld, sondern mit Brot, Milch und Butter entlohnen!
Die schwierige Situation auf dem Finanzmarkt stand einer weiteren Netzausdehnung entgegen, zumal Rupert Heider die privatwirtschaftliche Struktur seines Unternehmens unter keinen Umständen aufgeben wollte.